R U S C H A V O O R M A N N
Polar
14. November – 23. Dezember 2023
Öffnungszeiten
Di. – Sa., 11:00 – 18:00 Uhr
Fasanenstraße 29
10719 Berlin
Wir freuen uns sehr, die zweite Einzelausstellung der jungen Münchner Künstlerin Ruscha Voormann in unserer Berliner Galerie ankündigen zu dürfen. Unter dem Titel „Polar“ zeigt sie groß- und mittelformatige Leinwandarbeiten, in denen sie die Grenzen zwischen Zufall und Kalkül in der abstrakten Malerei auslotet und dadurch eine ganz eigenständige Bildsprache entwickelt.
Einander bedingende, wesenhaft zueinander gehörende (vermeintliche) Gegensatzpaare lassen sich erst durch die Beziehung zueinander erklären.
So sind verschiedene Pole in der Malerei auch nur durch die wertfreie Definierung derselben abgrenzbar: Helligkeit lässt sich nur im Gegensatz zu Dunkel erfassen, kalte Farben versteht man erst im Verhältnis zu warmen Farben, spiegelnde Oberflächen erschließen sich vor allem durch die Erfahrung matter Oberflächen. Diese und noch weitere Pole, die in ihrer Gänze Malerei greifbar machen, bedingen unmittelbar Ruscha Voormanns Leinwandarbeiten.
In Ihrer Ausstellung „Polar“ zeigt die Künstlerin drei Werkgruppen: Reflexion, Routine und Formation. Der Titel der Ausstellung selbst weist nicht nur auf die Polarität in der Malerei, welche die Künstlerin in ihrem Werk untersucht, sondern ist auch eine Referenz zu der seit Januar 2023 auftauchenden Hauptfarbe in Voormanns Bildwelten: Polarweiß – ein bläuliches, auf den ersten Blick kalt anmutendes Weiß beherrscht die neuen, hier gezeigten Serien.
In der Serie „Reflexion“ findet man die Arbeiten, in denen Voormann dem Zufall vielleicht am meisten Spielraum gewährt. So entsteht durch das Gegeneinanderschieben zweier Plexiglasscheiben mit dazwischen befindlicher Acrylfarbe beim Trennen der beiden Scheiben ein (Gegensatz)paar, das unabhängig voneinander mit jeweils einer Leinwand für immer verbunden wird. In den Titeln werden die zueinander gehörenden Paare als Pole benannt.
So zufällig sich die Farbflächen ergeben, die nun zwischen Leinwand und Plexiglas gehalten werden, so präzise und überlegt setzt Voormann ihre polarweiße „Linienstruktur“ auf das Glas. Die spiegelnde Oberfläche des Glases wird von der darauf aufgetragenen, matt wirkenden Farbe gebrochen. Hell steht dunkel gegenüber, Zufälligkeit der Struktur, die Spiegelung den nicht- spiegelnden Flächen. Neben diesen Gegensätzen kann noch eine dritte Ebene gedacht werden: Die Bewegung beziehungsweise die Spiegelung des Betrachters in dem Werk verändern die Malerei jedes Mal neu. Sie lassen immer wieder ein anderes, jeweils nur subjektiv erfahrbares Bild entstehen.
Die Serie „Routine“ umfasst Werke, die zunächst auf den für Voormann typischen, nebeneinandergesetzten Linien beruhen. Polarweiße und dunkle Streifen geben den vermuteten, darunter liegenden, freieren Formen Halt und erzeugen eine weiche, darüber liegende Gitterstruktur – fast als würde man versuchen, die hinter beschlagenem Glas liegende Malerei erkennen zu wollen. Neu sind in dieser Serie grafische, fließende Strukturen – zumeist aus Versatzstücken von Kreisen, die mitunter mit Linien verbunden werden. Diese zunächst digital generierten, mit weichen Farbverläufen poetisch und dennoch klar gemalten Linien verweben sich mit den darunterliegenden Schichten: Vorder-, Hinter- und Mittelgrund sind untrennbar vereint und bilden dennoch ein gemeinsames Spannungsfeld auf der Leinwand.
Die dritte Werkgruppe „Formation“ löst durch eine weniger gegensätzliche Farbpalette die Pole Schwarz und (Polar)weiß auf. Sanftere Übergänge entstehen, und es formieren sich grafische Gebilde zueinander, die an kubistische Referenzen denken lassen. Die Linien der Bleistiftvorzeichnung bleiben auf der Leinwand stellenweise erkennbar, die Bewegung der Malerrolle und insbesondere des hier verwendeten Pinsels erhöht das zufällige Moment. Obgleich die nun auf der Leinwand hinterlassenen Formen sehr überlegten Vorzeichnungen entspringen, verschmelzen sie zu einer Einheit. Die sichtbaren Pinselstriche wie auch die Bleistiftlinien gewähren dem Betrachter einen unmittelbareren Zugang zur Malerei Voormanns.
Eines haben alle drei Serien gemeinsam: In den Arbeiten geht es nicht um Antagonismen, in denen ein Bestandteil den anderen „aussticht“, sondern um parallel existierende, gleichbedeutende Kontraste, die aneinanderwachsen. Visuelle Spannungsfelder entstehen, Formgebung wie auch das Ineinander-Verweben der verschiedenen Malschichten lassen den Betrachter immer wieder neue Elemente in den Bildern entdecken. So können auch unterschiedliche Pole nur gemeinsam gedacht werden und sind erst durch die Existenz des jeweils anderen Pols erklär- und verstehbar.
Ruscha Voormann wurde 1992 in Flensburg geboren und lebt in München, wo sie an der Akademie der Bildenden Künste bei Gregor Hildebrandt studiert. Obwohl sie erst seit vier Jahren ausschließlich künstlerisch tätig ist, kann sie bereits auf über 30 Einzel- und Gruppenausstellungen zurückblicken, u.a. in Berlin, Wien, New York, Amsterdam, Madrid, München, Hamburg, Leipzig und Köln.
Text: Sarah Haugeneder