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C H R I S T O P H   

S C H L I N G E N S I E F

Deutschlandsuche

12. September  – 9. November 2024

Öffnungszeiten

Di. – Sa., 11:00 – 18:00 Uhr

Fasanenstraße 29

10719 Berlin



Wir freuen uns sehr, im Rahmen der diesjährigen Berlin Art Week die Ausstellung „Christoph Schlingensief | Deutschlandsuche“ ankündigen zu dürfen. Gezeigt werden Film- und Videoarbeiten, Fotografien, Objekte, Manuskripte und Dokumentationsmaterial aus Schlingensiefs Werkkomplexen „Hamlet“, „Chance 2000“ und „Deutschlandsuche“, einige davon bisher unveröffentlicht und zum ersten Mal zu sehen.


Christoph Schlingensief (*1960 in Oberhausen, 2010 in Berlin) begriff sein Schaffen nicht im Sinne traditioneller Gattungen, sondern verknüpfte Film, Theater, Literatur, Performance, Fernsehen, zeitbasierte Medien, bildende Kunst und politischen Aktivismus miteinander. Für ihn gab es weder formale noch inhaltliche Grenzen. Ursprünglich vom Film kommend bediente er sich aller Disziplinen, ohne die geringste Berührungsangst.


Durchgehende Merkmale von Schlingensiefs Werken waren eine klare, einprägsame Sprache, die Faszination für Trash und Mainstream, deren Mechanismen er geradezu lustvoll ausschlachtete, und ein ethisch-moralisches Anliegen, das er durch radikale Aktionen in die Öffentlichkeit tragen wollte. Die Ernsthaftigkeit, mit der er den deutschen Alltag vor dem Hintergrund einer ungenügend aufgearbeiteten Geschichte hinterfragte, ging mit einem humorvollen Blick auf sich und andere einher. Seine künstlerische Praxis durchzog ein lauter, herausfordernder Aufschrei, der nicht abschrecken, sondern wachrütteln und zusammenführen sollte.


Schlingensief legte den Finger in die Wunde, um zu heilen. Er war nicht interessiert an Inner Circles oder „Blasen“, sondern beanspruchte das Große-Ganze für sich. Er suchte die Auseinandersetzung mit dem „Feind“ nicht, um ihn zu marginalisieren oder gar auszuschalten, sondern um ihn zu vereinnahmen. Sein Wirken und seine Kunst zielten auf ein „Miteinander des Guten“. An die Stelle von Ideologie setzte er ein radikales Denken, das Widersprüche und eine gemeinsame Debatte einforderte.


Die Ausstellung „Christoph Schlingensief | Deutschlandsuche“ präsentiert drei seiner Hauptwerke, die den Vergleich zur ideologisch motivierten Aktionskunst von heute ermöglichen. Besonders wurden dabei Arbeiten ausgewählt, die unmittelbar ins gesellschaftliche und politische Geschehen eingriffen: Bei „Hamlet“ holte Schlingensief bekennende Neonazis auf die Bühne, mit „Chance 2000“ gründete er eine Art Performance-Partei und für die „Deutschlandsuche“ begab er sich auf eine interkontinentale Expedition, um in der globalen Welt den neuen deutschen Helden zu finden.


Die drei Werkkomplexe, an denen Schlingensief jeweils mehrere Jahre zwischen 1998 und 2003 arbeitete, werfen unweigerlich die Frage auf: Wie unterscheiden sich sein Ansatz, sein Anspruch und sein Anliegen von den vielfältigen aktuellen intermedialen, gattungsübergreifenden Kunstpraktiken, die unbestreitbar in Schlingensiefs Tradition stehen, aber – so die Kritik und Wahrnehmung – oft nur auf Selbstvergewisserung, Selbstbestätigung und Selbstreferenzialität gerichtet sind?


In unserer polarisierenden Zeit lohnt sich ein Blick auf Schlingensiefs Arbeit ganz besonders. Einer wie er fehle heute, heißt es häufig. Wie allerdings würde sich seine Kunst im Bombardement der gegenwärtigen Dauerprovokationen, permanenten Wahrheitsdehnübungen und ständigen gesellschaftlichen Kernspaltungen behaupten? Eines seiner Mottos lautete: „In das Schweigen hineinschreien“. Würde er heute sagen: „In das Getöse hineinschreien“? Wie würde er seinem zutiefst auf Gemeinschaft zielenden Anliegen Gehör verschaffen? Lässt sich darauf eine Antwort finden? Auch die Unvorhersehbarkeit gehörte zu Schlingensiefs Werk, der häufig seiner Zeit weit voraus war.


Die Schlingensief-Ausstellung bei Crone, die erste Einzelschau seiner Werke in Berlin seit 10 Jahren, möchte zur Kontextualisierung seiner Arbeit vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse beitragen. Sie wird kuratiert von Anna-Catharina Gebbers, die mit Klaus Biesenbach und Susanne Pfeffer für die großen Schlingensief-Retrospektiven in den KW in Berlin 2013 und im MoMa PS1 in New York 2014 mitverantwortlich war, und entsteht in enger Zusammenarbeit mit Aino Laberenz, die Schlingensiefs Nachlass verwaltet und betreut.


Foto:

Christoph Schlingensief | African Twin Towers, Namibia, 2004, Foto: Aino Laberenz, Courtesy Nachlass Christoph Schlingensief, Berlin

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