A N D R E J D Ú B R A V S K Ý,
H A N N A H S O P H I E
D U N K E L B E R G,
N A O K I K U C H I,
K O R N E L L E Ś N I A K,
M I C H A E L P A R T,
S O P H I E-L U I S E P A S S O W
Bitteres Arkadien
14. Februar – 29. März 2025
Öffnungszeiten
Di.–Fr., 11–18 Uhr
Sa., 11–15 Uhr
Getreidemarkt 14
1010 Wien
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Wir freuen uns, die Ausstellung „Bitteres Arkadien“ in unserer Wiener Galerie zu präsentieren. Die Gruppenausstellung versammelt Arbeiten internationaler Künstler.innen, die sich auf verschiedene Weisen die Praxis der Sublimierung zu eigen machen, wenn auch nicht in der Absicht, bestimmte Inhalte (wie bei Freud) zu verdrängen.
Vor allem die Generationen Y und Z schlagen sich mit Symbolapparaten herum, die heutzutage unumgänglich scheinen. Ihre Reflexionen drehen sich um die Erneuerung von Erzählkonzepten und ihrer Validierung aus heutiger Sicht - ein Anliegen, das auch den in den 80er Jahren und früher Geborenen nicht fremd ist.
Am Anfang war nicht nur das Wort, sondern auch das Ich. In einer zunehmend instabilen und gestörten Welt gibt Autarkie den jungen Künstlergenerationen ein Gefühl von Stärke und Sicherheit. Sie treffen selbstbestimmte Entscheidungen über ihr Leben und wehren sich dadurch gegen einen Kontrollverlust auch der größeren Realität gegenüber. In ihrer künstlerischen Sprache - einer Mischung aus autobiografischen, symbolischen und fiktionalen Elementen - versuchen sie, mögliche Szenarien für gegenwärtige und kommende Communities zu entwerfen oder einfach nur sorgfältig über ihre drängenden Befindlichkeiten zu sprechen. Der Ausdruck von Sorge, Trauer oder Empathie in ihrer Kunst, auch wenn er auf den ersten Blick als „kindliche Unterwürfigkeit“ erscheinen mag, hat eine umfassendere emotionale und soziale Bedeutung. Was zählt, sind nicht nur die Fakten, sondern auch die neu formulierten Bewertungen dieses Mitgefühls. Vor unseren Augen entstehen in ihrer Malerei und anderen Kunstpraktiken neue phantastische, widersprüchliche Realitäten. Genderüberschreitungen und transzendente Metamorphosen verleihen den hier gezeigten Autofiktionen zusätzlich eine funkelnde Anziehungskraft.
Aber ist es möglich, die Geschichten für unsere komplexe Realität neu zu ersinnen, mit einem blaublütigen oder eiskalten Blau, einem Zitronengelb, mit Perlentränen, Herzchen oder glitzernden Sternen, mit Emoji und artifiziellen Blumen oder extravaganten Schleifen (um alles zu versüßen, wie im neoromantischen Stil coquette coru), die verheißungsvoll oder festlich aussehen? Kann man den Tränen Glauben schenken? Kunstwerke, die hier vorgestellt werden, sind öfters niedlich, manchmal postromantisch oder dekadent, würzig und süß, nicht nur in die traditionelle Ikonographie der Kunstgeschichte verstrickt, sondern auch in die neurographische abstrakte Linie.
Die Gefühle von Selbstständigkeit und Stärke kann sich jedoch als trügerisch erweisen und in der Realität zu Ausgrenzung, Isolation und Kontrollverlust führen. Darauf anspielend verfolgt die Ausstellung zwei Stränge, die sich nach der „Dekonstruktion des Subjekts“ mit dem Phänomen der Trauer, Sorge und der Erinnerung beschäftigen, noch bevor jemand oder etwas stirbt oder vergeht. Trauer bestimmt die Position eines europäischen Subjekts, das die Erinnerung an den Anderen bewahren will und als solches um den Anderen trauert, ihn aber gleichzeitig nicht vollständig verinnerlichen kann. In dieser Ambiguität ist das Subjekt ein trauerndes Subjekt, weil es zu seiner Struktur gehört, das Verlorene zu verarbeiten oder zu betrauern. Trauern wirft ebenso die Frage nach der Einstellung zu dem auf, was außerhalb des Subjekts existiert: Das heißt, ob wir mit Verlusten besser umgehen können, indem wir sie verinnerlichen, was bedeutet, den Anderen zu „verschlingen“, oder indem wir jede Beziehung verweigern, das heißt, es vergessen lassen.
Genau dieses Paradox oder die „Logik der Trauer“ spiegelt sich in den Schriften von Jacques Derrida (z.B. „The Work of Mourning“) wider, der dieses Phänomen als unauflösbare Aporie bezeichnet, aus der es keinen Ausweg gibt. Aber gerade dadurch bringt sie alle Überlegungen, alle Zweifel und alle Möglichkeiten in einen Umlauf - in den „unmöglichen Kreislauf der Trauer“ -, der ihr erst ihren Sinn verleiht. Das "Gesetz der Trauer" im Gegensatz zur Freud’schen "Arbeit am Trauern" ist also eine unendliche Herausforderung und kann auch durch die Kraft und Energie eines Bildes ausgedrückt und bewältigt werden. Das Bild des Verlorenen im zeitgenössischen Arkadien - und hier ist wohl auch Europa mit seinen aktuellen Verlusten und Ängsten gemeint - stellt das Gesetz der Trauer dar. Das Bild - so der Philosoph - stellt das Gesetz des Toten, und hier des Abwesenden, auf und stellt den Menschen, der das Bild sieht, vor dieses Gesetz. Denn wir schauen nicht nur das Bild an, sondern das Bild schaut uns an. Und das ist, nach Derrida, sein Recht. Repräsentation ist hier keine reproduzierende Re-Präsentation, sondern eine Wiederherstellung der Präsenz des Verlorenen. Genau darin liegt die Stärke der in dieser Ausstellung gezeigten Werke.
Text: Goschka Gawlik