H A M L E T L A V A S T I D A
Two Two Three Nine
29. April–18. June 2022
Öffnungszeiten
Di–Sa, 11–18 Uhr
Wir freuen uns sehr, Sie auf die Ausstellung „Two Two Three Nine“ von Hamlet Lavastida aufmerksam machen zu dürfen, die vom 29. April bis 18. Juni 2022 im Rahmen des Gallery Weekend Berlin in unserer Galerie in Berlin-Charlottenburg stattfindet.
Der Kubaner Hamlet Lavastida, geboren 1983 in Havanna, zählt zu den einflussreichsten lateinamerikanischen Künstlern der jüngeren Generation. Zusammen mit anderen Intellektuellen initiierte er die Demokratiebewegung „27-N“, die im vergangenen Jahr zu den größten Massenprotesten in der kubanischen Geschichte führte.
Als Lavastida im September 2021 von einem Residency-Aufenthalt in Berlin nach Havanna zurückkehrte, wurde er verhaftet und drei Monate in das berüchtigte Gefängnis „Villa Marista“ gesperrt. Nach wochenlangen folterartigen Verhören wurde er ausgebürgert und in die EU abgeschoben. Seit Januar 2022 lebt er in Berlin im Zwangsexil, Ende Juni 2022 wird er auf Einladung des Künstlerkollektives „ruangrupa“ im Rahmen des Projekts „Instar“ an der documenta fifteen in Kassel teilnehmen.
Zwei Monate vor der documenta gibt die Ausstellung „Two Two Three Nine“ den Gallery-Weekend-Besuchern nun die Gelegenheit, sich mit Lavastidas Kunst eingehend zu befassen. Auf rund 150 Quadratmetern sind bei Crone Berlin über 45 neue Arbeiten zu sehen, die der Künstler seit seiner Ausbürgerung geschaffen hat und die sowohl sein persönliches Erleben als auch die Themen Repression, Diktatur und Machtmissbrauch im Allgemeinen reflektieren.
Im Mittelpunkt der Ausstellung steht Lavastidas Manifest „Penitentiary Republic“, um das er einen Kosmos vielfältiger Werke unterschiedlichster Techniken und Genres gruppiert. Neben den für ihn typischen Scherenschnitten finden sich Videoarbeiten, Leinwandmalereien, Stempelzeichnungen und Fototapeten. Sie alle fügen sich zu einer raumfüllenden Installation zusammen, in der Kunst und Agitation verschmelzen, in der ästhetischer und politischer Anspruch eine Symbiose eingehen und in der Gestaltungswille sowohl formal als auch inhaltlich begriffen wird – der Überzeugung des Künstlers folgend, dass vor dem Hintergrund weltweiter Verwerfungen, Kriege, Geschichtsverfälschungen und Katastrophen das eine nicht vom anderen getrennt werden kann.
Mit dem Ausstellungstitel „Two Two Three Nine“ nimmt Hamlet Lavastida unmittelbar Bezug zu seiner Rolle und seiner Verfolgung als Mit-Begründer der 27-N-Demokratiebewegung. „Two Two Three Nine“ ist die Nummer, die ihm die kubanische Staatsicherheit zuteilte, als er im September letzten Jahres in Havanna verhaftet wurde. Sie ersetzte im Gefängnis seinen Namen und ist bis heute die einzige Identität, die ihm sein Heimatland zugesteht.
In der Ausstellung „Two Two Three Nine“ verarbeitet Lavastida nun seine Erfahrungen als politischer Gefangener und Bürgerrechtsaktivist, gleichzeitig nutzt er sie zum künstlerischen Protest gegen die Unterdrückung und Gleichschaltung von Individuen in totalitären Systemen.
Im vorderen Teil der Ausstellung finden sich abstrakt anmutende Papierschnitt-Arbeiten, die in Wahrheit die konkrete, alltägliche Grausamkeit und Herrschaft des kubanischen Regimes veranschaulichen: Ihnen liegen Luftaufnahmen von teils geheimen Gefängnissen, Lagern und Umerziehungsanstalten auf Kuba zugrunde, die Lavastida in mühsamer Recherchearbeit lokalisieren, ausfindig machen und nachweisen konnte.
Montiert sind die strikten, grafischen Gefängnis- und Lager-Ansichten auf Wänden mit Signets und Icons, die Lavastida für den Protest in seinem Heimatland geschaffen hat. Sie existieren als Stempel, mit denen er kubanische Geldscheine ent- oder aufwertete, und als Schablonen, die man an Hauswände, Türen, Zäune oder Busstationen halten und übermalen kann, wodurch sie dort Zeichen und Codes des Widerstands hinterlassen.
Der mittlere Teil der Ausstellung ist von einer großformatigen Typografie-Arbeit dominiert, die ebenfalls als Cut-Out-Schablone für eine politisch-künstlerische Aktion im öffentlichen Raum konzipiert wurde. Bei dem Text handelt es sich um die Selbstbezichtigung des abtrünnigen kubanischen Parteifunktionärs Anibal Escalante, die 1969 von der Fidel-Castro-Regierung mit brutaler Folter erzwungen wurde. Er gesteht darin seine Verfehlungen ein und preist Castros Herrschaft als einzig möglichen Weg zum „neuen Menschen“.
Im hinteren Ausstellungsbereich präsentiert der Künstler eine weitere Wand mit Bürgerrechts-Icons, kombiniert mit Gefängnis-Luftansichten. Dazu zeigt er
eine Videoarbeit, in der er die für ihn typischen Cut-Outs nun animiert und in Bewegbilder verwandelt: Der Betrachter erlebt Stalin und Fidel Castro beim Diktatoren-Tanz, gespeist aus Propaganda-Fotos der kubanischen Revolution und des sowjetischen Machtapparats.
Die Papierschnitt-Arbeiten der Gefängnisse verweisen unmittelbar auf Lavastidas Teilnahme an der diesjährigen documenta fifteen in Kassel, bei der eines dieser Bilder in einer überdimensionierten, sechs mal vier Meter großen Version zu sehen sein wird.
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